Kindermedien - Medienkinder. Die vorrangige Aufgabe heißt: Förderung von Medienkompetenz

Arbeitskreis Medienpolitik der SPD-Landtagsfraktion

Unsere Kinder wachsen auf mit Xbox, smartphone, tablet & Youtube, Snapchat und WhatsApp: Keine Generation zuvor hatte in jüngsten Jahren rasantere technische Entwicklungen zu verkraften, keine war so sehr der Faszination, aber auch Verstörung durch Medien ausgesetzt.
Doch ohne neue Medien, ohne Fernsehen und Internet, bliebe unseren Kindern Vieles verschlossen, was sie über unsere Welt und unsere Kultur wissen wollen, wissen sollen und aktiv entdecken können.

Medienpolitik ist Gesellschaftspolitik. Medien gestalten einen immer höheren Anteil privaten und gesellschaftlichen Lebens (mit). Medien sind ein fortwährend wachsender Wirtschaftsfaktor, Medien liefern Information, bilden, öffnen Welten, neue private und berufliche Aktionsfelder. Sie prägen Weltbilder und Biografien. Ihre Wirkung kann Defizite ausgleichen oder verschärfen, Medien können Menschen zusammenführen oder ausgrenzen, persönliche Entwicklungen fördern oder blockieren, sie können manipulieren oder zur Reflexion anstiften. Medien und ihre Wirkung in der Gesellschaft sind ambivalent. Verantwortliche Medienpolitik kann sich nicht nur auf die Organisation wirtschafts- und kulturpolitischer Rahmenbedingungen beschränken, sie stellt mindestens ebenso Aufgaben an Familienpolitik, Sozialpolitik, Jugendpolitik und vor allem an die Bildungspolitik.

Die heranwachsenden Generationen können und sollen kein medienfreies Leben führen. Daraus folgt die gesellschaftliche Verpflichtung, alle Kinder von klein auf für das Leben mit Medien stark zu machen. Die vorrangige medien- und gesellschaftspolitische Aufgabe heißt: Förderung von Medienkompetenz. Wer eine medienkompetente Lebensführung als Wert für alle betrachtet, muss eine strukturorientierte Medienpolitik betreiben. Strukturorientierung bedeutet zu aller erst, dass die Förderung von Medienkompetenz systematisch in allen pädagogischen Handlungsfeldern zu verankern ist.

Medienkompetenz, die denkbar beste Form von präventivem Jugendmedienschutz = Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung, Medienges­taltung

Der Begriff Medienkompetenz hat sich am Ende der 90er Jahre zu einem Modewort entwickelt. Medienkompetenz ist nun Erziehungsziel, Basiskompetenz, Schlüssel­qualifikation und noch vieles mehr. Eine derart unpräzise Verwendung bringt Proble­me mit sich. Es besteht die Gefahr, dass das ursprünglich Gemeinte hinter scheinbar alltäglichen Floskeln verschwindet und ein Scheinkonsens entsteht, den alle Beteilig­ten abnicken und der niemandem weh tut. Die Idee einer Medienkompetenz ist kei­neswegs das Produkt der medieneuphorischen und konsumorientierten 90er Jahre. Vielmehr wurde diese bereits in den 70er Jahren theoretisch fundiert und ausgear­beitet. Medienkompetenz umfasst wesentlich mehr als die Fähigkeit, den Einschalt­knopf von Fernseher und Computer zu finden! Allgemein anerkannt ist bei der Definition von Medienkompetenz die Position von Dieter Baacke (Universität Bielefeld), der vier Bereiche von Fähigkeiten benennt, die zur Medienkompetenz zählen:

  • die Medienkunde,
  • die Mediennutzung,
  • die Medienkritik,
  • und die Mediengestaltung

Medienpädagogik hat vor allem die Aufgabe zu erfüllen, Kinder und Jugendliche über die gesellschaftlichen Zusammenhänge und ideologischen Prozesse aufzuklären, in die nicht nur die Medien, sondern auch die Kinder und Jugendlichen selbst verstrickt sind. Medienerziehung, die zu einem selbstbewussten und genussbereiten, reflektier­ten und entscheidungsfähigen Umgang mit Medien führt, bietet die denkbar beste Form von präventivem Jugendmedienschutz.

Gleiche Bildungschancen: Keiner darf verloren gehen

In einer demokratischen Gesellschaft müssen alle Heranwachsenden die Chance erhalten, Medienkompetenz. Die Möglichkeiten hierzu sind jedoch systematisch ungleich verteilt, primär aufgrund unterschiedlicher Bildungsvoraussetzungen in den Sozialmilieus, zusätzlich aufgrund technischer und finanzieller Barrieren und – bei einigen Migrantengruppen – aufgrund kultureller Vorbehalte. Es ist eine Aufgabe der Erziehungs- und Bildungsinstitutionen, für Chancengleichheit hinsichtlich der Zugänge zum verfügbaren Medienensemble und hinsichtlich eines souveränen Umgangs mit Medien Sorge zu tragen, und zwar mit Maßnahmen, die den Prozess des Heranwachsens kontinuierlich begleiten. Medienkompetente Bürgerinnen und Bürger, die auch das demokratische Partizipationspotenzial der Medien auszuschöpfen vermögen, wird es nur geben, wenn alle Institutionen der Erziehung und Bildung daran mitwirken und ihre Aktivitäten vernetzen.

Ansatzpunkte:

  • Eltern- und Familienberatung: das Medienleben beginnt in der Familie.
  • Medienpädagogik in Erziehung und Bildung: der Ausgleich von gesellschaftlichen Defiziten ist Pflicht.
  • Medienpädagogische Ausbildung und Forschung: Die Förderung von Medienkompetenz und * die Vermittlung von Urteilskraft brauchen fundierte, differenzierte und aktuelle Erkenntnisse und nachhaltige Begleitung.
  • Jugendmedienschutz in der Praxis optimieren: Wettlauf mit immer neuen technischen und interaktiven Entwicklungen.

SPD-Forderungen
Eltern und Familienberatung: das Medienleben beginnt in der Familie.

  • Weiterentwicklung von angemessenen Beratungskonzepten zu allen Medien, die in Kindheit und Jugend besonders bedeutsam sind. Während es neben dem Fernsehen auch zu anderen relevanten Medien wie Computerspiel und Internet Angebote gibt, die für Eltern zumindest ausbaufähig wären, ist die Beratung in Bezug auf konvergente Angebote als völlig defizitär zu qualifizieren. Der hohen Präsenz des konvergenten Medienmarkts im Alltag von Kindern und Jugendlichen stehen das Unwissen von Eltern (und PädagogInnen) und das fehlende Bewusstsein der Öffentlichkeit über die Risiken dieser Entwicklung in eklatanter Weise entgegen.
  • Bei der Verbreitung elterntauglicher Beratungskonzepte ist besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass auch die Bevölkerungsgruppen, die zu einem problematischen Medienumgang neigen, erreicht werden. Das erfordert das Verlassen der bildungsüblichen Verbreitungsformen und Investition in niederschwellige und unübliche Wege.
  • Beachtung sollten in diesem Kontext Familien mit Migrationshintergrund erhalten. Die Hinweise, dass Heranwachsende hier häufig zu einem problematischen Medienumgang tendieren, verdichten sich: Muttersprachliche Informationen für die relevanten Migrantengruppen werden dementsprechend dringlich.

Förderung von Medienkompetenz in Erziehung und Bildung

  • In allen Feldern darf die Förderung von Medienkompetenz nicht nur eine Option darstellen, sondern ist als verbindliche Aufgabe strukturell zu verankern und mit einer angemessenen personellen und finanziellen Ausstattung zu versehen.
  • Dort, wo die strukturelle Verankerung bereits angegangen ist (z.B. im Bildungs- und Erziehungsplan) ist neben einer angemessenen Umsetzung auch eine kontinuierliche Evaluation anzustreben, die Qualität und Nachhaltigkeit sichert.
  • Wo die strukturelle Verankerung defizitär ist oder fehlt, was für die schulischen Felder und weitgehend für die Jugendarbeit der Fall ist, ist sie mit Nachdruck zu betreiben und auf Dauer zu stellen. Das Potenzial anvisierter Neuerungen (z.B. die Einführung der Ganztagsschule) sollten hierbei systematisch genutzt und ausgebaut werden.
  • Insbesondere für die Jugendarbeit ist eine flächendeckende Angebotsstruktur aufzubauen. Dieses Feld bietet besonders weitreichende Potenziale für eine an Chancengleichheit und Partizipation orientierte Medienkompetenzförderung und hat auch Zugang zu benachteiligten Kindern und Jugendlichen.
  • Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Konzepten, Modellprojekten und Materialien, die den jeweiligen Adressaten und pädagogischen Orten angemessen sind. Zu gewährleisten ist hier v.a., dass die Befassung mit Medien nicht zu einer nur technikzentrierten Angelegenheit gerät. Reine Technikakzeptanz und Bedienungsfähigkeiten tragen nicht zum medienkompetenten Menschen bei. Im Gegenteil, sie konterkarieren Medienkompetenz, die auf Teilhabe an der (Medien-) Gesellschaft zielt.
  • Zu gewährleisten ist weiterhin, dass mit den Medienentwicklungen und mit sich verändernden Mediengewohnheiten der Heranwachsenden Schritt gehalten werden kann. Auf die immer rasanter präsentierten Neuheiten des Medienmarktes können viele PädagogInnen kaum noch angemessen reagieren und sind angewiesen auf fundierte pädagogische Impulse von außen.
  • Notwendig ist eine praxistaugliche Medienausstattung der Einrichtungen, die auch das aktive Arbeit mit Medien erlaubt. Tragbare Audio- und Videogeräte, einfach handhabbare Schnittsysteme, Computer mit geeigneter Software und Internetzugänge gehören dazu.
  • Pädagogische Anstrengungen sind in allen Feldern für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Sozialmilieus und aus Migrantengruppen notwendig. Maßnahmen, die bildungsmäßig oder kulturell, technisch oder finanziell bedingte ungleiche Zugänge zu den (Arbeits-)Medien ausgleichen, sind ebenso erforderlich wie Maßnahmen, die risikoreichen Umgangsweisen mit den (Unterhaltungs-)Medien entgegenwirken.
  • Um die Effizienz medienkompetenzförderlicher Maßnahmen zu erhöhen, aber auch um Synergien zu schaffen, empfiehlt sich eine Verzahnung der verschiedenen Erziehungs- und Bildungsfelder untereinander sowie mit den wichtigen Bereichen des sozialen Umfelds ihrer jeweiligen Klientel. Für Kindertagesstätten und Grundschule ist von einer Verzahnung mit elternbildenden Maßnahmen Zugewinn zu erwarten. Für Maßnahmen, die sich an ältere Heranwachsende richten, kann eine Verbindung von Schule und Jugendarbeit (z.B. im Kontext der Ganztagsschule) gewinnbringend sein.

Medienpädagogische Qualifizierung

  • Strukturelle Verankerung von Medienpädagogik als verbindlichen Bestandteil in den einschlägigen Ausbildungsgängen für ErzieherInnen, in den sozialpädagogischen Studiengängen, in der universitären Lehrerausbildung und in der universitären Pädagogik. Entsprechende Lehrstühle und Lehrbereiche sind mit medienpädagogisch ausgewiesenem Personal zu besetzen und mit einer Ausstattung zu versehen, die die Vermittlung medienpädagogischen Arbeitens in der gesamten Bandbreite zulässt.
  • Schaffung medienpädagogischer Aus- und Weiterbildungsstrukturen, die den Erfordernissen der verschiedenen pädagogischen Handlungsfelder gerecht werden und sowohl medienpädagogische Grundqualifizierung als auch kontinuierliche Fortbildung leisten.
  • Explizit medienpädagogische Forschung ist in außeruniversitären und universitären Instituten zu forcieren und angemessen auszustatten.

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