Was wir von Schweden lernen können

Dr. Simone Strohmayr

09. Oktober 2015

Bayerische SPD-Parlamentarierinnen auf Informationsreise in Sachen Gleichstellungspolitik

Die skandinavischen Länder gelten in Sachen Gleichstellungspolitik als vorbildlich. Wie die gleichberechtigte Teilhabe im Beruf, in der Medizin oder bei der Erstellung von Haushaltsplänen tatsächlich funktioniert, davon haben sich die Frauenpolitikerinnen der SPD-Landtagsfraktion bei einer Reise nach Schweden selbst ein Bild gemacht. Die beiden frauenpolitischen Sprecherinnen der Fraktion, Dr. Simone Strohmayr und Ruth Müller, besuchten zusammen mit ihren Abgeordnetenkolleginnen in der schwedischen Hauptstadt Stockholm Ministerien, Firmen, soziale Einrichtungen und Institutionen.

Der deutsche Botschafter Michael Bock machte bei einem Empfang für die bayerischen Sozialdemokratinnen deutlich: "Generell ist in Schweden ein anderes Grundverständnis in der Gesellschaft zum Stellenwert von Freizeit, Familie und Kindern festzustellen." Schweden gilt als Beispiel für das sogenannte Doppelverdiener-Modell. Dieses ermutigt beide Elternteile, erwerbstätig zu sein und gleichzeitig die unbezahlte Arbeit zu teilen, die im Haushalt und bei der Kinderbetreuung anfällt. Das Modell besteht seit den 1970er Jahren. Beide Elternteile werden individuell besteuert. Im Unterschied zu Deutschland setzt der schwedische Staat also keinen finanziellen Anreiz dafür, dass der Mann, der in der Regel mehr verdient als die Frau, arbeitet, und sie den Haushalt führt - das ist beim deutschen "Ehegatten-Splitting" der Fall.

Entscheidend waren auch familienunterstützende Maßnahmen: Seit vier Jahrzehnten baut Schweden kontinuierlich die öffentliche Kinderbetreuung aus. Jedes Kind hat Anspruch auf einen Platz in einer öffentlichen Kindertagesstätte, sodass Väter und Mütter Beruf und Familie vereinbaren können.

Für berufstätige Eltern gibt es eine "Elternversicherung", was bedeutet, dass 80 Prozent des letzten Einkommens bezahlt werden, wenn ein Elternteil zuhause bleibt. Besonderer Anreiz ist, dass je ein Drittel der Elternzeit von Mutter und Vater genommen werden müssen und so erreicht wird, dass auch die Männer bei ihren Kindern zuhause bleiben. Und auch in der Politik ist es selbstverständlich, dass Politiker ihre Elternzeit nehmen. Während dieser "Familienzeit" übernimmt der Nachrücker oder die Nachrückerin die Aufgaben des Abgeordneten oder Kommunalpolitikers.

Um 18.00 Uhr ist bei uns Feierabend, machte Charlotte Larson Verkaufsleiterin von Coca Cola in Schweden deutlich. So haben alle Beschäftigten das Recht, ihre Arbeitszeit nach dem Grundsatz der Work-Life-Balance zu organisieren, unabhängig von der privaten Lebenssituation.

Die SPD-Frauenpolitikerin Strohmayr betont: "Wir können von Schweden viel lernen. Interessant war für mich auch, dass es auch im Alter große Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. So haben die Schweden festgestellt, dass Haushalts- und Pflegedienstleistungen Männern schneller und in einem anderen Umfang zugesprochen werden, als Frauen. Das wird in Bayern nicht anders sein, deshalb müssen wir künftig darauf achten, dass unsere Seniorinnen nicht benachteiligt werden.“ Strohmayr kündigte dazu eine parlamentarische Initiative im Bayerischen Landtag an.

Besonders beeindruckt waren die SPD-Frauenpolitikerinnen von dem Integrationsprojekt „Livstycket“. Das im Stockholmer Vorort Tensta in Schweden angesiedelte Projekt ermöglicht Frauen aus Einwanderergemeinschaften die Integration in die schwedische Gesellschaft. Sie lernen dort die Sprache und schaffen mit professioneller Anleitung und Unterstützung von Designerinnen und Lehrerinnen Textildruck- und Designprojekte, die erfolgreich vermarktet werden. Für viele der Frauen ist Livstycket die erste Berührung mit dem neuen Land und bildet den ersten Schritt in die schwedische Gesellschaft und ins Berufsleben.

Birgitta Notlöf, die das Projekt 1992 ins Leben rief, berichtete: "'Wir trinken Tee und lernen das E'" brachte Frauen, die vorher Analphabetinnen waren, innerhalb von eineinhalb Jahren das Lesen und Schreiben bei. Manche lebten seit 35 Jahren in Schweden, aber nur wenige haben in ihrem Heimatland eine Schule besucht. "Lesen und Schreiben zu können, ist die Grundlage, um an einer demokratischen Gesellschaft teilzuhaben. Frauen kommt bei nachhaltigen Veränderungen eine zentrale Rolle zu, da sie wiederum ihre Kinder erziehen und integrieren", lobte Ruth Müller das erfolgreiche Projekt.

"AG Frauen" zu Besuch in Stockholm
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An der Reise nach Schweden nahmen neben Strohmayr und Müller auch die Parlamentarierinnen Susann Biedefeld, Doris Rauscher, Kathrin Sonnenholzner, Diana Stachowitz, Ruth Waldmann, Isabell Zacharias, Angelika Weikert, Johanna Werner-Muggendorfer und Margit Wild teil.

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