Vom Kindergarten zur Grundschule

Vom Kindergarten zur Grundschule

Längst wissen wir, dass in die frühkindliche Förderung am meisten investiert werden muss. Lange vor Eintritt in die Schule entscheidet sich, ob ein Kind eine gute schulische Entwicklung nehmen wird. Von Dr. Simone Strohmayr,MdL, bildungspolitische Sprecherin der BayernSPD-Landtagsfraktion.

Andere Länder machen es uns vor: In die Kindergärten gehört nur bestens ausgebildetes Personal. Das ist teuer, ermöglicht aber ausschließlich die Umsetzung der vielfach vorhandenen Förder- und Erziehungspläne.

Besonders die Sprachförderung nicht nur der Migrantenkinder muss uns dabei sehr am Herzen liegen. Durch die enorme Reizüberflutung der verschiedenen Medienangebote leiden immer mehr unserer Kleinkinder an Spracharmut, die sich bis ins Schulalter massiv auswirkt. In der Schule geht alles über Sprache. Hier ist klar der im Vorteil, der nicht nur sinnerfassend lesen, sondern sich auch entsprechend ausdrücken kann.

Die zurückgehenden Schülerzahlen machen es möglich, diese Vorschulklassen in die Grundschulen zu integrieren und damit eine flexible Einschulungszeit im Alter von 5 bis 7 Jahren zu ermöglichen. Schon für diese wichtige Bildungsphase gilt, dass gleichschrittiges Lernen der falsche Weg ist. Kinder sind Individuen, für die der passende Schuleintrittszeitpunkt erwischt werden muss. Nur dann werden sie nicht schon von Anfang an abgehängt und haben unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die gleichen Startchancen.

In dieser Bildungsphase spielt Zeit und gute Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen eine herausragende Rolle. Hier müssen Defizite erkannt und durch den Einsatz verschiedener Förderangebote sofort behoben werden. ErzieherInnen, GrundschullehrerInnen, Sozial- und Heilpädagogen, Therapeuten und andere Profis müssen hier eng zusammenarbeiten.

Das notwendige Personal muss das Kultusministerium in seinem Stellenplan bereit stellen. Der Kindergartenbereich gehört zwingend zum Aufgabenbereich des Kultusministeriums, damit es keinerlei Kompetenzstreitereien geben kann.

Bildungsgerechtigkeit beginnt also schon im Kindergarten und beim Eintritt in die Schule!

Deswegen muss bereits der Übergang vom Kindergarten flexibel sein. In der Grundschule wird bereits nach zwei Jahren in einzelne Schubladen sortiert, es gibt systembedingt Verlierer. Das bayerische Schulsystem setzt einseitig auf Leistungsdruck und zu frühe Auslese, keiner darf aber verloren gehen.

Noch dazu ist der Zugang zum Bildungssystem ungerecht. Er führt zu einer bildungspolitischen Zweiklassengesellschaft. Ein Facharbeiterkind hat bei gleicher Lesekompetenz eine 6,5 Mal geringere Chance auf einen Gymnasiumsbesuch als ein Akademikerkind.

Um den Anschluss nicht zu verpassen, muss jedes Kind mindestens eine Vorschulklasse verbindlich besuchen, die dann natürlich auch kostenfrei sein muss. Aber auch bei dem Übertritt an einer weiterführenden Schule ist Umdenken notwendig.

Grundsätzlich gilt bei dem Übertritt: Bei einem Notendurchschnitt in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht bis einschließlich 2,33 bekommen Schüler eine Empfehlung fürs Gymnasium und bis 2,66 für die Realschule. Die Staatsregierung muss das Übertrittsverfahren an die weiterführenden Schulen so verändern, dass in den dritten und vierten Klassen der Grundschulen endlich wieder die Pädagogik und nicht die verzweifelte Jagd nach Noten im Vordergrund steht.Die SPD-Landtagsfraktion fordert, den Elternwillen bei den Übergangszeugnissen zu respektieren und das reine Verfahren über die Noten abzuschaffen. Noten sind ein schlechter Wert. Die Stressfaktoren für Grundschulkinder sind groß geworden. Das wollen wir ändern.

Zudem ist die Basis für Noten nicht valide, wie ein Gutachten des Bildungs- und Verfassungsrechtlers Wolfram Cremer zeigt. Darin beschreibt Cremer die mangelnde Objektivität bei der Notengebung - und wertet die bisherige verbindliche Übertrittsempfehlung als verfassungswidrig. So sei das Verfahren zu oft abhängig von der sozialen Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern. Die Grundschule hat einen pädagogischen Auftrag, keinen Sortierauftrag. Die Lernfreude muss im Vordergrund stehen und nicht der Notenstress.

Info zu Rechtsgutachten:

Das sogenannte „Grundschulabitur“ in Bayern, also die verbindliche Übertrittsempfehlung fürs Gymnasium oder die Realschule aufgrund eines Notendurchschnitts aus drei Fächern, ist einem Rechtsgutachten zufolge verfassungswidrig. Der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Bildungsrecht und Bildungsforschung an der Ruhr Universität Bochum, Prof. Dr. Wolfram Cremer, stellt fest, dass diese Praxis an bayerischen Schulen gegen die Grundrechte der Eltern in der Bayerischen Verfassung (Art. 126 Abs. 1) und im Grundgesetz (Art. 6 Abs. 2 S. 1) verstößt. „Die Entscheidung über den Bildungsweg des Kindes liegt eindeutig bei den Eltern“, betont Cremer und beruft sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht. Rechtsgutachten Übertritt Kurzfassung, siehe hier.

Die SPD-Landtagsfraktion will das Grundschulabitur, das ausschließlich auf den Noten der Kinder in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht in der 4. Klasse beruht, deshalb abschaffen. Das Grundschulabitur nämlich sorgt für unfassbaren Stress in den Familien. Zudem zeigen wissenschaftliche Studien, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien bei gleichen Testleistungen eine deutlich geringere Chance haben, eine Empfehlung fürs Gymnasium zu erhalten, als Kinder aus bildungsnahen, sozial starken Familien.

Auch die bestehende Möglichkeit, Kinder in den dreitägigen Probeunterricht am Gymnasium beziehungsweise an der Realschule zu schicken, wenn sie den geforderten Notenschnitt nicht erreicht haben, ist kein Argument für das Grundschulabitur. In der Regel schaffen über die Hälfte der Kinder diesen Probeunterricht, obwohl ihre Grundschulnoten eigentlich zu schlecht für das Gymnasium waren. Das zeigt, wie wenig diese Noten wert sind. Und auch hier gibt es wieder soziale Ungerechtigkeiten, da nur wenige Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Schichten überhaupt den Probeunterricht versuchen.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert deshalb schon seit Jahren, an die Stelle der verbindlichen Übertrittsempfehlung eine unverbindliche Grundschulempfehlung verbunden mit einer professionellen Beratung, gegebenenfalls auch durch die weiterführenden Schulen, einzuführen, damit die Eltern schlussendlich eigenverantwortlich über den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder entscheiden können.

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