Nachdenkliche Töne, getragen und trotzdem kraftvoll entschlossen. Der Andante-Satz von Mozarts Klavierquartett in g-moll – Piano plus Violine plus Viola und Violoncello. Das Ungewöhnliche an diesem Konzerterlebnis im Spiegelsaal der Harmonie in Bamberg: Der Geehrte trägt die musikalische Umrahmung zur Preisverleihung selbst bei. Christoph Eschenbach brilliert am Konzertflügel – weltberühmter Dirigent, Pianist und „ausgesprochener Europäer“, wie er sich selbst nennt. Und nun auch Träger des Europa-Preises, den ihm die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag am Sonntag in feierlichem Rahmen überreicht hat. Denn er steht mit seinem Werk wie kaum ein anderer für die Kraft von Kunst und Kultur als Brücke der europäischen Verständigung.
„Über sieben Jahrzehnte haben Sie ganzen Generationen von Musikfreunden erlebbar und erfahrbar gemacht, dass Europa mehr ist als ein Konstrukt aus Verträgen und wechselseitigen Wirtschaftsbeziehungen“, betonte die Laudatorin Daniela Schadt, Journalistin und ehemalige First Lady. „Sie haben Millionen Menschen für Musik begeistert, weil in Ihnen selbst die Begeisterung für die Musik immer lebendig geblieben ist. Sie hatten Ihre Sprache verloren und kommunizieren heute in einer Sprache, die Menschen zwischen Paris und Wroclaw, zwischen Rio und Tokio und Bamberg verstehen.“ Schadt erinnerte in ihrer Rede an das Schicksal des in Breslau (heute Wroclaw) Geborenen, das so exemplarisch für die wechselhafte europäische Geschichte steht: Krieg und Vertreibung, schlimme Erfahrungen in Sammellagern der Nachkriegszeit und schließlich die Erlösung durch die Musik. Der Wechsel von Moll in Dur.
Es folgte eine Karriere, die Eschenbach durch die Konzertsäle der Welt führte. Nach New York, Paris, London, Wien und Berlin – überall mit vollen Sälen. Prägend (und selbst geprägt) wurden die Bamberger Symphoniker, die anfangs vor allem aus Mitgliedern des Deutschen Philharmonischen Orchesters Prag bestanden, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Westen geflohen waren. Hier hatte alles begonnen, hier stand Christoph Eschenbach mehr als 200 Mal am Dirigentenpult, ist heute Ehrendirigent – und hier erhielt er folgerichtig auch den Europa-Preis 2025 und trug sich an diesem Nachmittag ins Goldene Buch der Stadt ein. Solisten der Bamberger Symphoniker waren es auch, die Eschenbachs Darbietung des Mozartschen Klavierquartetts komplettierten.
„Dieser Preis ist weit mehr als eine Auszeichnung“, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Grießhammer in seiner Rede. „Er ist ein Bekenntnis für das Europa, das wir anstreben: ein Europa des Friedens, der Solidarität und der kulturellen Vielfalt. Heute ehren wir mit Christoph Eschenbach nicht nur einen Ausnahmekünstler, sondern vor allem einen Menschen, dessen Leben und Werk Zeugnis dafür sind, wie Kunst und Kultur Grenzen überwinden können.“ Eschenbach stehe „für das Europa, das wir gemeinsam verteidigen wollen: ein Europa der offenen Türen, der Solidarität und des Dialogs. Ein Europa das nie aufhört, Brücken zu bauen – zwischen Menschen, Kulturen und Nationen.“
Markus Rinderspacher, Vizepräsident des Bayerischen Landtags, schlug die Brücke von Eschenbachs Generation und seinen Verdiensten um die europäische Aussöhnung zur aktuellen Lage des Kontinents: „Europa steht an einem Wendepunkt. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Illusion endgültig zerschlagen, dass Frieden auf diesem Kontinent eine Selbstverständlichkeit sei. Die Schatten der Geschichte sind zurückgekehrt, und mit ihnen die drängende Frage: Ist Europa fähig und bereit, für seine eigene Unabhängigkeit, demokratische Verfasstheit, für seine eigene Sicherheit einzustehen?“ Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke lobte die musikalischen Verdienste Eschenbachs für die Stadt Bamberg. Es handle sich um einen bedeutenden Beitrag, um über den Weg der Musik den Ruf der Stadt Bamberg mit ihren wichtigen europäischen Verbindungen zu mehren. „Danke für alles, was Sie für die Kunst- und Kulturstadt Bamberg getan haben.“
„Europa ist eine Vision“, so Christoph Eschenbach in seiner Dankesrede. „Wenn wir die Nachrichten sehen, könnten wir so manches Mal den Eindruck haben, jede Nation in Europa kämpfe gegen die andere. Zu wenig wird über die Gemeinsamkeiten gesprochen, die uns und unser Leben prägen. Die großen Komponisten haben viele Reisen unternommen, anderen zugehört, Musik mit nach Hause gebracht, das Schönste zu Hause gezeigt und mit in ihre Musik aufgenommen, daraus Ideen für das Neue gewonnen- und haben ihre Identität nicht verloren. Die Musik zeigt, wie gut das geht. Europa wird durch die Vielfalt der Kulturen, Sprachen und Identitäten seiner Länder zu einer europäischen Komposition.“
Mit dem Europa-Preis zeichnet die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag Personen und Organisationen aus, die sich in besonderer Weise um die europäische Idee und die Werte der Europäischen Union verdient gemacht haben. Bisherige Preisträger sind das Eine Welt Netzwerk Bayern e.V. (2022), Luxemburgs ehemaliger Außenminister Jean Asselborn (2021) und Kapitän Claus-Peter Reisch der Mission Lifeline (2018)