Oktoberfestattentat: Endlich ist Aufklärung möglich

06. Februar 2015

SPD-Fachgespräch zum Wiederaufnahmeverfahren zum Wiesn-Attentat mit Opferanwalt Werner Dietrich – Rechtsterroristischen Hintergrund klären

Das Oktoberfestattentat vom 26. September 1980 gilt als einer der grausamsten Terrorakte in der Geschichte der Bundesrepublik. 13 Menschen starben, 211 Festbesucher trugen zum Teil schwere Verletzungen davon. Die Ermittlungen wurden aber bereits 1982 eingestellt: Der beim Anschlag getötete Täter Gundolf Köhler sei ein Einzeltäter und habe aus persönlichen Motiven gehandelt, hieß es. Hinweise auf einen möglichen rechtsradikalen Hintergrund wurden nicht weiter verfolgt. Der Opfer-Anwalt Werner Dietrich hat in jahrelanger Arbeit die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens vorangetrieben. Im Dezember schließlich hat die Bundesanwaltschaft ein neues Verfahren angeordnet.

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Fachgespräch der SPD-Landtagsfraktion im Hubert-Burda-Saal der Israelitischen Kultusgemeinde München mit dem Rechtsextremismus-Experten Florian Ritter, dem Opfer-Anwalt Werner Dietrich und dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Franz Schindler.

Mit den „Chancen und Perspektiven für neue Ermittlungen“ setzte sich die SPD-Landtagsfraktion am Donnerstagabend bei einem Fachgespräch in der Israeltischen Kultusgemeinde auseinander. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Franz Schindler und der Rechtsextremismus-Experte Florian Ritter hatten den Opfer-Anwalt Werner Dietrich eingeladen. Es war ein wichtiger Abend für viele Zeitzeugen, die in den Hubert-Burda-Saal gekommen waren. „Das Oktoberfestattentat hat sich fest in das Gedächtnis der Stadt eingebrannt“, sagte Ritter. Er bedankte sich bei der DGB-Jugend, die regelmäßige Gedenkveranstaltungen am Attentats-Mahnmal durchführt. Der Abgeordnete hob auch die Arbeit des Journalisten Ulrich Chaussy besonders hervor. Ritter würdigte auch seine Vorgängern als Abgeordnete dafür, dass sie unermüdlich für die Wiederaufnahme der Ermittlungen gekämpft haben: Er nannte den damaligen Kreisverwaltungsreferenten, späteren Abgeordneten und heutigen Verfassungsrichter Klaus Hahnzog, den früheren Fraktionsvorsitzenden Karl-Heinz-Hiersemann und seinen aktuellen Kollegen Franz Schindler.

Schindler, der auch Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag war, zog eine Parallele zwischen den Pannen im NSU-Verfahren und dem eingestellten Verfahren zum Wiesn-Attentat. „Ein rechtsterroristischer Hintergrund wurde stets bestritten. Regelmäßig gibt es Ermittlungspannen, wenn ein rechtsextremistischer Täter in Frage kommt“, sagte Schindler. Erst jetzt, nachdem die neonazistischen Motive der NSU-Morde bekannt wurden, sei man bereit, sich mit rechtem Terrorismus zu beschäftigen. Das Oktoberfestattentat zeige aber, dass dies schon in den 80er Jahren hätte geschehen müssen. Es gebe einen großen Unwillen, in die rechte Richtung zu ermitteln. Umso wichtiger sei nun das Wiederaufnahmeverfahren zum Oktoberfestattentat.

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Florian Ritter, Werner Dietrich und Franz Schindler.

Dieses ist für den Opferanwalt Dietrich längst zur Lebensaufgabe geworden: Sein Mandat hat er bereits im Oktober 1982 übernommen. Seither bewegen ihn die Schicksale der Opfer, die bis heute an den Folgen ihrer schweren Verletzungen leiden. Die etwa 100 Gäste im Saal dankten es ihm mit einem langen und herzlichen Beifall. Auf Dietrich und die Behörden kommt eine riesige Aufgabe zu: Allein die Akten belaufen sich auf insgesamt über 100.000 Seiten, dazu kommen 887 Spuren. Neu hinzu kommen die Akten der DDR-Staatssicherheit, die über das Oktoberfestattentat genau unterrichtet war. Zwei Jahre, so schätzt Dietrich, werden die Ermittlungen dauern. Sollte es zum Prozess kommen, könnte dieser noch größere Dimensionen haben, als der vor dem Oberlandesgericht München laufende NSU-Prozess. Er forderte ergebnisoffene Ermittlungen. Alle Akten müssten noch einmal genau angeschaut werden. „Die Bundesanwaltschaft ist bemüht, den Fall mit vollem personellen Einsatz zu führen“, sagte der Opferanwalt.

Die Voraussetzungen sind also gut. Großes Interesse gibt es auch an den Zeugen: Eine Krankenschwester aus Hannover, die kurz nach dem Attentat einen Patienten mit abgerissener Hand behandelte und der nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus verschwand. Auch eine Sprachlehrerin kann mit ihrer Aussage möglicherweise den rechtsterroristischen Hintergrund der Tat erhellen. Und auch die überlebenden Opfer können als Zeugen aussagen. Einer, der seither der Bombendetonation Metallsplitter im Körper trägt, würde sie sich sogar aus dem Körper operieren lassen, damit sie kriminalistisch untersucht werden können.

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