Anhörung im Landtag: Experten stellen dem Integrationsgesetz der CSU ein vernichtendes Zeugnis aus

Anhörung im Landtag: Experten stellen dem Integrationsgesetz der CSU ein vernichtendes Zeugnis aus

29. September 2016

Fachleute sehen gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr – SPD fordert CSU zum Umdenken auf

Bei der offiziellen Anhörung des Sozial- und des Verfassungsausschusses im Bayerischen Landtag am heutigen Donnerstag (29.9.) sprachen sich Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen, Kirchen, Verbänden und der Wissenschaft klar gegen das geplante Integrationsgesetz der Staatsregierung aus. Insbesondere den aus ihrer Sicht völlig unklaren Begriff der „Leitkultur“ lehnten sie ab. Außerdem kritisierten die Sachverständigen, dass der Gesetzentwurf ein klares Ungleichgewicht zwischen Fördern und Fordern aufweise und Migranten einseitig als Bedrohung betrachte.

Der Jurist Prof. Andreas Funke erklärte: "Ein Gesetz, das sich einer derart drohenden Wortwahl bedient, habe ich lange nicht mehr gelesen." Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Integrationsbeiräte Bayerns, Mitra Sharifi-Neystanak, meinte: "Der Ton dieses Gesetzentwurfes stößt Migranten vor den Kopf und stellt sie unter Generalverdacht." Ähnlich äusserte sich Dr. Rainer Oechslen (Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern), der kritisierte, dass Migranten im vorliegenden Entwurf fast ausschliesslich als "Problem" und nicht als "Bereicherung" angesehen werden. Und Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, bemängelte, dass der Text "den Aspekt der Abschreckung" unverhältnismäßig stark betone, während sämtliche Integrationsangebote pauschal unter Haushaltsvorbehalt gestellt würden. Auch die Vertreter der Kommunen ermahnten die Staatsregierung, die Integrationsförderung stärker in den Blick zu nehmen und bspw. für ausreichend bezahlbaren Wohnraum und eine stärkere Unterstützung der Ehrenamtlichen zu sorgen.

V.l.: Doris Rauscher (Stv. Vorsitzende des Integrations-Ausschusses), Joachim Unterländer (Vorsitzende des Integrations-Ausschusses), Franz Schindler (Vorsitzender des Rechtsausschusses)
V.L.: Doris Rauscher (Stv. Vorsitzende des Integrations-Ausschusses), Joachim Unterländer (Vorsitzende des Integrations-Ausschusses), Franz Schindler (Vorsitzender des Rechtsausschusses)
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Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Doris Rauscher fordert die CSU nun auf, Konsequenzen aus der Anhörung zu ziehen: „Man muss feststellen: Die Experten haben den CSU-Gesetzentwurf komplett zerlegt. Vor einer derart klaren Ablehnung ganz wesentlicher Teile des Gesetzes darf die Staatsregierung nicht die Augen verschließen. Noch hat sie die Gelegenheit, ihre Pläne zu begraben – dies sollte sie dringend tun!“

Der Vorsitzende der Enquete-Kommission für Integration Arif Tasdelen ergänzt: "Die CSU ist mit ihrem Vorhaben absolut auf dem Holzweg und fällt damit weit hinter das zurück, was in den Kommunen geleistet wird und längst gesellschaftliche Realität ist. Dies wurde heute erneut deutlich."

Und der verfassungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Franz Schindler kommentiert: „Die Anhörung hat gezeigt, dass es ernstzunehmende Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gibt – aus gutem Grund. Der Gesetzentwurf beinhaltet eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die die Kommunen bei der Umsetzung vor erhebliche Schwierigkeiten stellen werden."

An der Anhörung nahmen auch zahlreiche engagierte Bürgerinnen und Bürger als Gäste teil. Bereits seit Wochen formiert sich in der Zivilgesellschaft großer Protest gegen die Pläne der Staatsregierung. Die Fachausschüsse des Landtags werden sich ab Oktober mit dem Gesetzentwurf befassen.

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