750 Gäste aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft - Fraktionschef Markus Rinderspacher fordert Feiertag für den 8. November 2018
Der 8. November 2018 soll nach dem Willen von SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher ein Feiertag sein und an die Gründung des Freistaats vor 100 Jahren erinnern. Der unabhängige Sozialdemokrat Kurt Eisner rief an diesem Tag die berühmten Worte: "Bayern ist fortan ein Freistaat!" Die SPD-Landtagsfraktion würdigte den Demokratiegeburtstag Bayerns bereits am 31. Januar mit einem Fest, zu dem 750 Gäste in den Bayerischen Landtag strömten - darunter der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, oder der DGB-Landesvorsitzende Matthias Jena sowie zahlreiche weitere Gäste aus Landes-, Kommunalpolitik, Gesellschaft und Medien.
100 Jahre Freistaat sind prägend für die bayerische Identität, stellte Rinderspacher fest, und Demokratie sei heute mehr denn je ein schützenswertes Gut. Demokratieerinnerung und Politikunterweisung müssten daher stärker gefördert werden. Eine sehr unterhaltsame "Politikunterweisung" erhielten die Gäste bereits am Abend mit einer von BR-Moderatorin Christine Rose im Senatssaal und von der Abgeordneten Isabell Zacharias im Plenarsaal moderierten Tour durch ein Jahrhundert Demokratie in Bayern.
Sie begann mit der vorzüglichen szenischen Lesung der Historiker Dr. Georg Schulz und Markus Schmalzl. Kurt Eisner gründete nicht nur den Freistaat, er führte auch das damals in Deutschland fortschrittlichste Wahlrecht ein: Alle erwachsenen Frauen und Männer durften wählen. Darauf wies die frühere Bundesfamilienministerin und Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Renate Schmidt, hin. Sie zog eine Linie von 1918, der Einführung des Frauenwahlrechts, über die Frauenbewegung 1968 bis zur machtvollen Me-too-Bewegung von 2018. Frauen hätten sich Schritt für Schritt emanzipiert, der Weg sei aber noch längst nicht beendet. Es gehe weiter um eine gleichberechtigte Vertretung der Frauen in den Parlamenten. Mit dem Gesetzentwurf zur Parité sei die SPD-Landtagsfraktion hier auf einem guten Weg.
1933 stimmten die Sozialdemokraten als einzige Fraktion im Landtag gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers - eine Sternstunde der Demokratie. Welche Schlüsse man daraus für heute ziehen kann, diskutierten der parlamentarische Geschäftsführer Volkmar Halbleib und die Vorsitzende der Weiße Rose-Stiftung, Dr. Hildegard Kronawitter: Brüche der Verfassung dürften nicht hingenommen werden, stellte die frühere Abgeordnete fest und verwies auf die Bedeutung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.
Der Urenkel des ersten bayerischen Ministerpräsidenten und Vaters der bayerischen Verfassung, Ludwig Hoegner, verwies denn auch auf die Bedeutung der Verfassung für die Politik heute - zum Beispiel für die Themen Wohnen oder Umwelt. Hoegner beantwortete auch die Frage, unter welchen Umständen ein Sozi in Bayern Ministerpräsident wird: Entweder durch Einsetzung durch die Amerikaner - wie Wilhelm Hoegner 1945 - oder nach erfolgreicher Regierungsarbeit in einer großen Koalition!
Wackersdorf war und bleibt die Geschichte des erfolgreichen Widerstands der Oberpfälzer gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage - quasi auch ein bayerisches Demokratiedenkmal. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Franz Schindler, aus Schwandorf, 1985 selbst Demonstrant am Bauzaun, erinnerte an das bunte Bündnis der Demonstranten, vor allem aber an den legendären SPD-Landrat Hans Schuirer, der den Ausverkauf der oberpfälzischen Heimat an die Atom-Lobby trickreich verhindert hat. Wackersdorf versammelte sie alle: Atomgegner, Naturschützer, Sozialdemokraten, Heimatliebende und Künstler. Unvergessen ist das Festival mit 100.000 Menschen und der Musik unter anderem von Konstantin Wecker und den "Wellküren".
Die Wellküren waren auch zum Demokratiefest in den Landtag gekommen, setzten sich mit der bayerischen Leitkultur auseinander und spielten der Staatsregierung kunstvoll das berühmte "Lied vom Tod" aus Ennio Morricones gleichnamigen Film. Das Ende vom Lied: Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter und Ministerpräsidentin Natascha Kohnen eröffnen die Wiesn. Mit dem sensationellen Poetry Slam "Freiheit - 100 Jahre später" warb die 25jährige Melanie Geigenberger für Mut zu unkonventionellen Lösungen in der Politik. Landtagspräsidentin Inge Aures schloss den offiziellen Teil des Abends mit einer launigen Würdigung der vielfältigen Beiträge, bevor sie zu Speis und Trank in den Steinernen Saal lud, wo noch bis nach Mitternacht gefeiert wurde.
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