SPD-Klagen gegen das Polizeiaufgabengesetz: „Da haben Überwachungsphantasten ihre Wunschträume verwirklicht“

SPD-Klagen gegen das Polizeiaufgabengesetz: „Da haben Überwachungsphantasten ihre Wunschträume verwirklicht“

07. Juni 2018

Natascha Kohnen fest überzeugt vom Erfolg der Verfassungsklagen - Markus Rinderspacher warnt: „Das Gesetz kann jeden unschuldigen Bürger treffen“

Die SPD-Fraktion wird das umstrittene Polizeiaufgabengesetz (PAG) juristisch auf zwei Ebenen unter Feuer nehmen: vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof und vor dem Bundesverfassungsgericht. Natascha Kohnen betont: „Wir werden alles tun, um das von der CSU durchgepeitschte Polizeiaufgabengesetz zu stoppen. Und ich bin fest überzeugt, dass uns das gelingen wird. Dieses Gesetz beschneidet die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in einer für unsere Demokratie unerträglichen Weise. Dagegen sind wir zusammen mit zehntausenden Menschen auf die Straßen gegangen. Dennoch hat die Staaatspartei es mit ihrer absoluten Mehrheit durchgedrückt. Deshalb ziehen wir nun vor Gericht. Wir werden unseren Freistaat verteidigen.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher wies darauf hin, dass das PAG jeden betreffen könne: „Das macht‘s ja so bedenklich. Völlig unbescholtene Bürgerinnen und Bürger werden durch dieses Gesetz ihrer Grundrechte beraubt. Und das, ohne einen Zuwachs an Sicherheit. Was wir stattdessen brauchen, sind mehr Polizisten auf den bayerischen Straßen und Plätzen. Die Personalsituation ist angespannt. Fast jede zehnte Stelle bei der Polizei ist derzeit schlicht nicht einsetzbar. Die Überstunden der Übrigen steigen auf immer neue Rekordhöhen.“

Die SPD-Fraktion hat für beide Klagen den bundesweit renommierten Polizeirechtler Prof. Dr. Mark A. Zöller von der Universität Trier als Prozessbeauftragten gewinnen können. Nach seiner Expertise schafft das PAG erhebliche Erweiterungen bei den Eingriffsbefugnissen der Polizei, die weit über den Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen hinausgehen. „Da haben Überwachungsphantasten ihre Wunschträume verwirklicht. Das sprengt jegliches rechtsstaatliche Maß“, sagte Zöller.

Im Mittelpunkt der SPD-Klagen steht der völlig unzureichend definierte, schwammige Begriff der „drohenden Gefahr“, auf den sich viele Detailregelungen des Gesetzes beziehen. „Und damit sollen dann Polizeibeamte in den Einsatz geschickt werden? Das ist eine Zumutung, auch für die Polizei. Dadurch verstößt das PAG klar gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot“, kritisiert Zöller.

PK zu Klagen gegen das PAG (v.l. Prof. Dr. Mark A. Zöller, Natascha Kohnen, Markus Rinderspacher)
PK zu Klagen gegen das PAG (v.l. Prof. Dr. Mark A. Zöller, Natascha Kohnen, Markus Rinderspacher)
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Die Defizite des neuen Gesetzes gehen aber noch weit darüber hinaus. Zahlreiche Regelungen des PAG beschneiden Grundrechte in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise. Das betrifft zum Beispiel den Schutz des privaten Lebensbereichs, wie der Wohnung, des Telekommunikationsgeheimnisses, des Rechts auf Freizügigkeit und den effektiven Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte. Außerdem wird die Schwelle, ab der die Polizei tätig werden darf, nahezu durchgehend erheblich herabgesetzt.

Zöller betont, dass das PAG nicht in nur einigen wenigen Teilen verfassungsrechtlich höchst problematisch ist: „Die Mängelliste umfasst 20 Artikel. Und da geht es nicht um rechts- oder parteipolitisch auslegbare Meinungsunterschiede, sondern um ganz erhebliche Verstöße gegen unsere Verfassung.“ Die beiden Klagen der SPD werden noch in diesem Sommer eingereicht.

Material:

PK-Vorlage zu PAG-Klagen (PDF, 289 kB)

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