Appell beim Christinnentag: Entscheidung über Organspende nicht den Angehörigen überlassen

Appell beim Christinnentag: Entscheidung über Organspende nicht den Angehörigen überlassen

22. Juli 2019

120 Gäste beim Empfang im Landtag mit Kirchenpolitikerin Diana Stachowitz - Bewegende Beiträge zu Organspende und Prävention von sexuellem Missbrauch

Wie lebt man mit der Lunge eines anderen Menschen? Wie geht man damit um, dass ein anderer Mensch sterben musste, damit man selbst weiterleben kann? Die Juristin Anja Lunze berichtete im Rahmen des Christinnentages der SPD-Landtagsfraktion über ihren nicht einfachen Weg als Organempfängerin und dankte auch ihrer Seelsorgerin, die unter den 120 Gäste im Senatssaal des Bayerischen Landtags saß. Lunzes Appell an die Anwesenden: Trefft die Entscheidung über eine Organspende selbst und überlasst sie nicht den Angehörigen! Lunze sieht es inzwischen als persönliche Pflicht des Einzelnen, zu Lebzeiten selbst über die Spende der eigenen Organe nach dem Tod zu entscheiden.

Anja Lunze
Die Juristin Anja Lunze berichtete über ihre Erfahrungen als Empfängerin eines Spenderorgans. Download: Foto in hoher Auflösung (Nutzung kostenfrei)

Lunze musste erst lernen zu vertrauen, als sie in der Schwangerschaft die Diagnose einer tödlichen Lungenerkrankung erhalten hat. Nach der Geburt ihrer Tochter hat sie sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob sie ein Spenderorgan annimmt. Es fiel ihr sehr schwer: "Es musste ein Mensch sterben, damit ich lebe. Ich war in Gedanken bei der Familie des Spenders", sagte Lunze. Inzwischen hat sie die Operation überstanden, lernte neu laufen und freut sich an ihrer kleinen Tochter. Eine Geschichte, die sie auch intensiv mit einer Klinikseelsorgerin besprochen hat.

Christinnentag Teilnehmerinnen
120 Gäste aus katholischen und evangelischen Gemeinden Bayerns kamen in den Senatssaal des Bayerischen Landtags. Download: Foto in hoher Auflösung (Nutzung kostenfrei)

Was Kirchen in der Gesellschaft leisten, zeige sich nicht zuletzt auch an diesem Beispiel, unterstrich die kirchenpolitischen Sprecherin Diana Stachowitz. "Ohne Seelsorge kann man mit vielen Themen gar nicht umgehen", sagte sie. Sie bezeichnete die großen Kirchen als Ort, an dem bisweilen kontrovers diskutiert wird, dies allerdings auf einem Wertefundament. Dies sei angesichts der Netz-Bubbles, in denen sich Nutzer immer wieder selbst in ihrer Meinung bestätigen, unverzichtbar. "Die Digitalisierung sorgt auch dafür, dass wir uns oft nur noch in Kreisen bewegen, mit denen wir einer Meinung sind", sagte Stachowitz.

Diana Stachowitz
Diana Stachowitz, Gastgeberin des Christinnentags. Download: Foto in hoher Auflösung (Nutzung kostenfrei)

Wir wollen eine Gesellschaft, die aufeinander schaut, sagte Stachowitz weiter. Und bei keinem Thema ist das so wichtig wie beim Missbrauch von Kindern in der Kirche. „Ein missbrauchtes Kind muss sich an sechs bis sieben Erwachsene wenden, bis ihm einer glaubt“, berichtete die Präventionsbeauftragte im Erzbistum München und Freising, Lisa Dolatschko-Ajjur. Der Schutz der Kinder müsse erste Priorität haben, forderte sie. Leider sei dies in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen: Laut dem Gutachten von Marion Westphal und Kollegen habe der Schutz der Institution lange Zeit Vorrang vor den Interessen der Opfer gehabt. Inzwischen bemüht sich das Erzbistum München und Freising mit zwei Beauftragten, ein Klima zu schaffen, in dem Minderjährige und Erwachsene vor sexuellem Missbrauch geschützt werden.

Lisa
Die Beauftragte für die Prävention von sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising, Lisa Dolatschko-Ajjur.
Download: Foto in hoher Auflösung (Nutzung kostenfrei)

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