Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP stellen gemeinsames Antragspaket im Bayerischen Landtag vor
Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP im Bayerischen Landtag streiten gemeinsam mit einem Antragspaket für die Verbesserung der Situation von LGBTIQ-Personen in Bayern. Denn Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie inter- und transgeschlechtliche Menschen sind nach wie vor alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt. Die Expertenanhörung im Bayerischen Landtag im November 2019 zum Thema „Akzeptanz von LGBTIQ-Personen in Bayern“ hat dies eindrücklich bestätigt.
Trotzdem ist Bayern das einzige Bundesland, das keinen Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt hat. Doris Rauscher (SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag), Tessa Ganserer (Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bayerischen Landtag) und Sebastian Körber (FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag) haben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz ein Antragspaket vorgestellt, mit dem geeignete Maßnahmen und Angebote gefordert werden, um die Situation für queere Menschen in Bayern nachhaltig zu verbessern.
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern I – Sicherheit für LGBTIQ*-Menschen in Bayern erhöhen
LGBTIQ*-Menschen müssen in Bayern frei und sicher leben können. Politisch motivierte Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität haben im liberalen Bayern keinen Platz. Hier braucht es zwei Ansprechpersonen für Opfer queerfeindlicher Straftaten sowie Beratungsstellen und Anti-Gewalt-Projekte. Ebenso eine Ansprechperson bei den Oberlandesgerichten München, Nürnberg und Bamberg. Polizeibedienstete sollen zudem durch Schulungen sensibilisiert werden.
Tessa Ganserer, queerpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, erklärt dazu: „Homo- und Transfeindlichkeit existiert auch in Bayern. Wenn die Söder-Regierung das verstanden hat, können wir endlich über koordinierte und finanzierte Maßnahmen sprechen, um die Situation für queere Menschen zu verbessern. Hier haben wir einigen Verbesserungsbedarf, ganz konkret in den Bereichen Sicherheit und in den ländlichen Beratungsstrukturen für queere Menschen.“
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern II – Beratungsinfrastruktur für LGBTIQ*-Menschen im ländlichen Raum schaffen
Das CSU-Sozialministerium erarbeitet bis Mitte des Jahres 2020 einen Plan zur Stärkung der LGBTIQ-beratenden Infrastruktur in ländlichen Gebieten. Schwerpunkte hier müssen sein, mind. eine Erziehungsberatungsstelle pro Regierungsbezirk zu einer LGBTIQ-Schwerpunkt-Beratungsstelle für queere Jugendliche auszubauen, mind. eine für erwachsene trans- und inter-Personen anzubieten und ein webbasiertes Beratungs- und Informationsangebot aufzubauen.
Dazu Ganserer: „Wir brauchen spezialisierte Ansprechstellen und geschulte Ansprechpersonen bei der bayerischen Polizei und den Generalstaatsanwaltschaften. Zudem gibt es in Bayern ein eklatantes Gefälle in der Beratungsinfrastruktur zwischen Stadt und Land. Es darf einfach nicht sein, dass es für queere Menschen auf dem Land keine passenden Angebote gibt. Inter- und transgeschlechtliche Personen warten z.B. teilweise über ein Jahr auf einen Beratungs- oder Behandlungstermin.“
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern III – Stationäre Altenpflege
Derzeit sind die Angebote der ambulanten und stationären Altenpflege weitestgehend nicht oder nicht ausreichend für die Lebenswelten von LGBTIQ* sensibilisiert. Pflegebedürftige queere Personen müssen in stationären Einrichtungen besser geschützt werden. So soll die Lebenssituation dieser Personengruppe in das neue Curriculum für die Pflegeberufe aufgenommen werden. Außerdem soll der Schutz vor Diskriminierung gesetzlich verankert werden.
Doris Rauscher, queerpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, erklärt dazu: „Notwendig sind diese Regelungen, weil insbesondere alte schwule Männer unter der Kriminalisierung durch den § 175 zu leiden hatten. Wir müssen vermeiden, dass Betroffene in den Heimen retraumatisiert werden, wenn sie mit homophoben Altersgenossen konfrontiert sind. Entsprechende Regelungen gibt es bereits in Hessen und in Berlin.“
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern IV – Historische Aufarbeitung des Unrechts durch § 175
In der BRD galten die 1935 in der nationalsozialistische „Strafrechtsnovelle“ verschärften Straftatbestände zur Verfolgung homosexueller Handlungen als §§ 175 und 175 a des Strafgesetzbuches (StGB) bis zur Strafrechtsreform von 1969 fort. Demnach waren sämtliche sexuelle Handlungen, einschließlich erotisch interpretierbarer Annäherungen, unter Männern strafbar.
Dazu Rauscher: „Zwischen 1945 und 1969 wurden mehr als 50.000 schwule Männer nach dem Paragraphen 175 StGB verurteilt; gegen noch einmal so viele wurde ermittelt. Die von den Nazis verschärfte Version des § 175 galt in der Bundesrepublik weiter und vernichtete viele bürgerliche Existenzen. Wir müssen dieses Unrecht dokumentieren und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht. Wir wollen mit dem Gutachten die Geschichte der Verfolgung in Bayern aufarbeiten und in die politische Bildung und die Ausbildung von Polizei und Justiz einfließen lassen. Ein ähnliches Gutachten hat der Landtag von Rheinland-Pfalz auch mit den Stimmen der CDU in Auftrag gegeben.“
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern V – LGBTIQ* in Schulen
Die Staatsregierung muss einen Gesetzentwurf zur besseren Berücksichtigung von LGBTIQ*-Rechten im Rahmen der Schulbildung vorlegen. Hier müssen unter anderem das Angebot von Aus- und Fortbildungen für Lehrkräfte verbessert, eine Handreichung durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung für Lehrkräfte an Schulen zur fächerübergreifenden Integration von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Unterricht erstellt und die „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen“ überarbeitet werden.
Sebastian Körber, queerpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erklärt dazu: „Wir müssen die Bildung für das Thema sexuelle Orientierung und Identität mehr sensibilisieren. Sprich: Die Vielfalt der heutigen Gesellschaft muss sich auch in den Schulen widerspiegeln. Mit unserem Antrag wollen wir die Selbstbestimmung und Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Diversität fördern. Gerade in den weiterführenden Schulen ist es wichtig, dass geschlechtliche Vielfalt und Identität im Lehrplan abgebildet werden. Warum sollen nicht einmal Katrin und Anne auf einer Parkbank zusammensitzen oder Ingo und Christoph Händchen haltend durch die Stadt spazieren?"
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern VI - Trans-Gesundheit
Inwieweit ist in Bayern eine flächendeckende Versorgung von transgeschlechtlichen Personen im Gesundheitssystem gewährleistet? Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Sozialausschuss des Bayerischen Landtags zu berichten. Denn im Rahmen der dortigen öffentlichen Anhörung zum Thema „Akzeptanz von LGBTIQ-Personen in Bayern“ haben die anwesenden Sachverständigen festgestellt, dass im Bereich der Gesundheitsversorgung von trans-Personen Handlungsbedarf besteht. Sowohl von Überforderung als auch von fehlenden Grundkenntnissen im Umgang mit trans*-Menschen wurde berichtet.
Dazu Körber: „Im Bereich der Pflege und der ärztlichen Versorgung benötigen wir bessere Erkenntnisse und Grundlagen, damit ein sensibler Umgang mit LGBTIQ*- Personen erfolgen kann. Daher fordern wir hier eine bessere Berücksichtigung bereits bei der Ausbildung.“