Nur noch 25 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel haben einen Tarifvertrag

Nur noch 25 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel haben einen Tarifvertrag

06. Oktober 2020

SPD-Fraktionschef Arnold: Geringe Tarifbindung führt zu niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen - Wirtschaftssprecherin Annette Karl: Krise nicht für den Abbau von Arbeitnehmerrechten missbrauchen

Nur noch ein Viertel der Beschäftigten im bayerischen Einzelhandel arbeiten in Betrieben mit einem Tarifvertrag. Dies geht aus einer aktuellen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hervor, die ihr Vorsitzender Horst Arnold heute (7. Oktober) bei einer Pressekonferenz im Bayerischen Landtag vorstellte. 2010 waren es noch 53 Prozent. "Das ist ein dramatischer Einbruch, der nicht nur zu niedrigeren Löhnen führt, sondern auch schlechtere Arbeitsbedingungen mit sich bringt. Applaus bringt der Kassiererin im Supermarkt nicht viel, sie braucht mehr Geld auf dem Konto", sagt Arnold.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin Annette Karl erteilte bei der Pressekonferenz den Plänen von FDP und CSU, den Sonntagsschutz aufzuweichen, eine klare Absage: "Die Corona-Krise darf nicht dazu missbraucht werden, den freien Sonntag aufzugeben und einen Angriff auf weitere bewährte Regelungen zu starten. Wir stehen weiterhin klar zur Allianz für den freien Sonntag", erklärt Karl. Längere Öffnungszeiten führten nicht zu mehr Verkäufen, sondern nur zu einer größeren Belastung der Beschäftigen. „Die Leute haben ja nicht mehr Geld“, sagt Karl. Die Wirtschaftssprecherin verweist auch darauf, dass schlechte Arbeitsbedingungen im Einzelhandel und längere Öffnungszeiten betreffen vor allem Frauen negativ betreffen.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert, gute Tarifabschlüsse auf möglichst viele Unternehmen und Beschäftigte einer Branche auszuweiten, auch für diejenigen, die bislang nicht tarifgebunden sind. Gibt es in einem Wirtschaftszweig wenigstens einen Tarifvertrag mit einer gewissen Strahlkraft, kann das Arbeitsministerium dessen Geltungsbereich auf alle Betriebe ausdehnen – wenn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zustimmen. So war es jahrzehntelang etwa im Einzelhandel. Doch seit den 1990er-Jahren kommen immer weniger Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) zustande, weil Arbeitgeber oft blockieren. Wurden 1992 noch 205 Tarifverträge deutschlandweit für allgemeinverbindlich erklärt, waren es 2014 gerade noch 37.

Deshalb fordern Arnold und Karl, den Arbeitgebern kein grundsätzliches Vetorecht mehr einzuräumen und stattdessen einen mit Vertretern der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und des Arbeitsministeriums besetzten Tarifausschuss per Mehrheitsbeschluss über Anträge zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen entscheiden zu lassen.

Arnold sagte, er sehe mit Sorge, wie der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger und andere die Corona-Krise nutzten, um Arbeitnehmerrechte einzuschränken. Die SPD setze sich hingegen dafür ein, die Höchstgrenzen für Arbeitsdauer, Ruhepausen und Sonntagsarbeit beizubehalten. "Die geltenden Regelungen sehen bereits viel Flexibilität vor, sie dürfen daher von den Arbeitgebern nicht schrittweise aufgeweicht werden", sagte der SPD-Fraktionschef in München.

Handout zum Thema Einzelhandel

Handout zum Thema Automobilindustrie

Teilen