Verschickungskinder in Bayern: Misshandlungen in Heimen aufarbeiten

Verschickungskinder in Bayern: Misshandlungen in Heimen aufarbeiten

22. Februar 2021

Kuren wurden von Ärzten verordnet - Kinder litten unter Körperstrafen, Esszwang und Erniedrigungen

Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Doris Rauscher fordert eine historische Aufarbeitung der Misshandlungen von sogenannten Verschickungskindern in Bayern. Ab 1945 bis in die 1990er Jahre wurden in der Bundesrepublik acht bis zwölf Millionen Kinder zur Erholung in Heime an die See und in die Berge geschickt. Ein Viertel der Heime liegt in Bayern. "Die Kuren sollten der Erholung und der Gesundheit der Kinder zwischen zwei und 14 Jahren dienen. Sie waren vollkommen von ihren Eltern getrennt. Bei den Aufenthalten ist es immer wieder zu Misshandlungen gekommen. Für einige Kinder war es ein echter Alptraum", sagte Rauscher heute (22. Februar) bei einer Pressekonferenz im Bayerischen Landtag. Ein entsprechender Antrag liegt dem Sozialausschuss am Donnerstag zur Beratung vor. Rauscher hält eine bayerische Untersuchung für notwendig, weil Bayern besonders betroffen ist. "Eine historische Aufarbeitung sollte auch im Sinne der Staatsregierung sein", findet die Abgeordnete.

Im Zuge der Aufenthalte kam es öfter zu Misshandlungen und Gewalt an den Schutzbefohlenen. Zum Beispiel durch körperliche Strafen, Esszwang, Toilettenverbot und Erniedrigungen, sogar von Todesfällen wird berichtet. Viele der damaligen Kinder und heutigen Erwachsenen sind noch immer traumatisiert, auch von dem mangelnden Willen zur Aufarbeitung des Unrechts. Erst 2020 wurde damit auf Bundesebene begonnen. Verschiedene Bundesländer arbeiten bereits an eigenen Studien und Datenerhebungen, in Bayern gibt es noch keine Initiative.

Die Kuren wurden von Ärzten verschrieben und von der Kranken- und Rentenversicherung bezahlt. "Es ist eine Schande, dass diese schrecklichen Geschehnisse von vielen Beteiligten, auch von Ärzten und Trägern, lange ignoriert wurden. Wir wollen, dass das Leid der Betroffenen anerkannt wird. Dazu ist es notwendig, die Fakten genau anzuschauen", erklärt Rauscher. Die Staatsregierung hatte eine Schriftliche Anfrage zur Aufarbeitung der Schicksale von Verschickungskindern in Bayern Ende letzten Jahres nur unzureichend beanwortet.

Ingrid Runde, Mitglied der Initiative Verschickungskinder Bayern, fordert dazu, dass noch in den Behörden vorhandene Dokumente erhalten bleiben und historischen Archiven zur Verfügung gestellt werden. Ebenso müsse eine Koordinierungsstelle für Hilfen für Betroffene eingerichtet werden.

Das Handout zur Pressekonferenz finden Sie hier

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