Neues „Modellprojekt“ ist Mogelpackung - Betriebsimpfungen werden in Bayern zum Vordrängeln von Großunternehmen genutzt, statt Impfkampagne zu unterstützen

16. April 2021

Gesundheitspolitische Sprecherin Ruth Waldmann: Hausärzte warten auf Impfstoffe, Großunternehmen werden bevorzugt - in anderen Bundesländern helfen Betriebe mit

Die gesundheitspolitische Sprecherin der BayernSPD-Landtagsfraktion Ruth Waldmann fordert die Staatsregierung auf, die angekündigen Modellprojekte bei Betriebsimpfungen nicht als Vordrängelei, sondern als echte Unterstützung der Impfkampagne zu nutzen. "Solange Impfstoffe knapp und Gefährdete in Priorisierungsgruppen und Lehrkräfte noch ungeimpft sind, können Großbetriebe nicht einfach vorgezogen werden! Das als 'Modellprojekt' zu bezeichnen, ist Etikettenschwindel: Angeblich soll die Organisation der Impfungen erprobt werden – dabei ist Impfen für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte doch Alltagsgeschäft, etwa bei den jährlichen Grippeimpfungen.“ Die Firmen bereiten sich ohnehin selbständig darauf vor, ihre Belegschaft zu impfen – sobald denn die Impfstoffe für sie verfügbar sind. Die Organisation könne man nämlich auch sehr gut aufbauen und einüben, ohne andere zu benachteiligen, so die Abgeordnete.

„Klar ist: in Zeiten immer noch viel zu knappem Impfstoffs bedeutet die Umverteilung an Großunternehmen, dass andere Berechtigte länger warten müssen und länger gefährdet sind. Es ist derzeit nicht vermittelbar, dass junge und gesunde Menschen schneller geimpft werden, nur weil sie im richtigen Unternehmen arbeiten." Schließlich sei dies auch eine Bevorzugung gegenüber kleineren und mittleren Familienunternehmen, die keine eigenen Betriebsärzte haben.

Die Organisationskraft der Unternehmen und ihrer Betriebsärztinnen und -ärzte einzubinden, sei grundsätzlich sehr sinnvoll, erklärt Waldmann. "Andere Bundesländer sind da schneller vorangegangen. Sie handeln aber nachvollziehbar und klüger: Die Beschäftigten in den Betrieben werden zwar vor Ort, aber dennoch nach Priorisierung geimpft und helfen damit der allgemeinen Impfkampagne. Außerdem wird die Infrastruktur auch Außenstehenden vor Ort zur Verfügung gestellt. Das hilft, die Impfungen zu beschleunigen, ohne eine völlig überflüssige Neiddebatte zu entfachen."

Im Übrigen müsse die Staatsregierung erklären, welche Impfstoffarten genau sie für diese Modellprojekte statt den Hausarztpraxen zur Verfügung stellen wolle: "Schneller würde die Impfkampagne vor allem durch mehr Impfstoffe aller Marken für die Hausärztinnen und Hausärzte, die vergeblich auf zugesagte Dosen warten. Es ist zudem problematisch, zuzulassen, dass über 60-Jährige sich gegen Astrazeneca entscheiden können und dafür später dann andere Wirkstoffe bekommen, die in den jüngeren Altersgruppen dadurch fehlen“, so die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses. Neue Studien zeigten, dass die Gefahr von Hirnvenenthrombosen bei einer Covid19-Erkrankung vielfach höher ist als bei Impfungen mit allen derzeit verfügbaren Impfstoffen. “Hier muss die Regierung Aufklärung betreiben und klare Vorgaben machen. Wir sind in einer Krise und müssen alle Ressourcen effizient nutzen! Entsprechend muss auch der Impfstoffbedarf in den Betrieben genau geplant und zugeteilt werden."

Zum Hintergrund:

Vergangene Woche beschloss das bayerische Kabinett ein entsprechendes Modellprojekt: Noch im April solle "für die Beschäftigten von zehn größeren bayerischen Arbeitgebern ein Impfangebot durch den betriebsärztlichen Dienst gemacht werden". Zitat Söder: "Da geht's dann nicht nach Alter, sondern der gesamte Betrieb wird durchgeimpft."

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