"Die SPD ist die älteste Partei Deutschlands. Sie hat dieses Land maßgeblich geprägt. Es gehört zur politischen Identität und DNA der SPD, unsere Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen.
Das ist nicht nur unser politisches Selbstverständnis, sondern wurzelt auch in eigener historischer Erfahrung: Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten waren in der fast 160jährigen Geschichte der SPD vielfach der politischen Verfolgung ausgesetzt. Sie waren Opfer von willkürlicher Verhaftung, Folter und Mord, mussten in das Exil gehen oder wählten wie meine Urgroßtante Toni Pfülf 1933 den Freitod. Besonders prägend für unser politisches Selbstverständnis ist dabei der Widerstand der SPD gegen Hitler und den Nationalsozialismus. Deswegen ist der Antifaschismus und der Kampf gegen Nazis und Rechtsradikale für uns ein zentraler politischer Auftrag. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind auch heute immer an vorderster Stelle, wenn es darum geht, Demokratie und Rechtstaat zu verteidigen. Vor diesem Hintergrund sind für uns Vergleiche mit rechtsradikalen Parteien – egal aus welchem politischen Kalkül – völlig inakzeptabel. Wer das trotzdem tut, muss mit unserem entschiedenen Widerspruch rechnen. Aus diesem Grund erwarten wir von Staatsminister Klaus Holetschek auch mehr als eine sehr weiche und im Rundfunk nachgeschobene Erklärung seiner Äußerungen.
Ich habe im letzten Plenum auf diese Aussagen von Klaus Holetschek deutlich reagiert. Das Zurückweisen seiner Angriffe und Behauptungen ist aus meiner Sicht richtig gewesen, zumal es falsch und unangemessen ist, wenn ein Staatsminister auf unangenehme Kritik und berechtigte Fragen zum Thema Maskenaffäre – denn das war das eigentliche Thema der Debatte – mit Unterstellungen und falschen Vergleichen reagiert.
Es war aber nicht richtig, diese Debatte mit der Diskussion über die Rolle der Parteien bei der Machtübergabe und Herrschaftskonsolidierung der Nationalsozialisten zu verknüpfen.
Trotzdem halten wir eine Rüge für nicht angemessen. Hier wird nicht nur mit zweierlei Maß gemessen. Es wird hier auch eine Aussage gerügt, über die man sich sachlich auseinandersetzen kann.
Ich habe, wenn ich von den „Vorläufern der CSU“ gesprochen habe, nicht über einzelne Personen gesprochen, sondern über die Vorläufer-Organisationen. Ich erkenne selbstverständlich an, dass Gründungspersonen der CSU selbst der Verfolgung und Inhaftierung in der NS-Zeit ausgesetzt waren. Falls das missverständlich war, bedauere ich es.
Geschichte ist nie nur schwarz und weiß.
Die Geschichtsschreibung geht aber selbst davon aus, dass die CSU-Vorläufer-Organisationen gehabt hat und nicht aus dem luftleeren Raum gegründet wurde. Das belegen u.a. die Äußerungen des Historikers Thomas Schlemmer vom Institut für Zeitgeschichte am gestrigen Dienstag im Bayerischen Rundfunk. Eine diese Vorläuferorganisationen, die Bayerische Volkspartei, hat am 22. März 1933 dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt.
Mit diesem Ermächtigungsgesetz wurde die Demokratie in Deutschland endgültig zu Grabe getragen. Die „Vorlage“, so formulierte es der Historiker Hans-Ulrich Wehler, „hob die Gewaltenteilung auf und übertrug die gesetzgebende Gewalt vollständig der Reichsregierung, die verfassungsändernde Gesetze ohne den Reichstag erlassen konnte“. Sie ersetzte Demokratie und Volkssouveränität durch das Führerprinzip. Der Historiker Ulrich Herbert schreibt darüber: „Nicht ein einziger Abgeordneter der bürgerlichen, katholischen und konservativen Parteien stimmte gegen das Gesetz. Allein die Sozialdemokraten mit ihren 94 Stimmen lehnten es ab.“ Das ist die historische Wahrheit.
Der Parteivorsitzende der SPD Otto Wels begründete diese Ablehnung in einer mutigen Rede – Zitat: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, aber die Ehre nicht“. Auf diese Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz habe ich mich mit dem Begriff „Steigbügelhalter“ bezogen. Dabei handelt es sich um einen Begriff, der in der historischen Debatte durchaus Verwendung findet. Hans-Ulrich Wehler überschreibt zum Beispiel ein Kapitel in seiner Deutschen Gesellschaftsgeschichte 1914-1949 mit: „Die Machtübergabe: die Elitenkoalition als Steigbügel-halter des ‚Führers‘“. Der Politologe und Parteienforscher Franz Walter schreibt in seinem Buch „Die SPD“: „Für das Selbstverständnis und die Geschichtsdeutung der Sozialdemokraten ist das elementar: Man hat sie unter dem Sozialistengesetz verfolgt, dann wieder und schlimmer noch unter Hitler. Aber sie widerstanden tapfer, gaben nicht klein bei, während das deutsche Bürgertum sich in beiden Fällen opportunistisch auf die Seite der Unterdrücker schlug“.
Das zeigt einmal mehr: Meine Aussage war sicherlich zugespitzt und ja, „unterkomplex“, sie gehört auch nicht in den Kontext der Debatte im letzten Plenum, aber sie kann aus unserer Sicht aus all den genannten Punkten keine Rüge begründen. Die historische Wahrheit ist und bleibt: Die SPD hat als einzige Partei gegen das Ermächtigungs-gesetz gestimmt. Darauf bin ich stolz und daher werden wir jede Gleichsetzung mit der AfD immer entschieden zurückweisen."
Florian von Brunn, MdL
Vorsitzender der SPD-Fraktion