Für Markus Söder kam die eigene Karriere vor den wichtigen Entscheidungen für die Menschen in Bayern. Er wollte um jeden Preis Kanzlerkandidat werden – schlechte Nachrichten passten nicht zu den ehrgeizigen Plänen. Das hat ihn dazu bewogen, die enormen Kostensteigerungen und Verzögerungen bei der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke jahrelang zu vertuschen: Das ist für die SPD-Landtagsfraktion nach dem heutigen Auftritt Söders im Untersuchungsausschuss klarer denn je zuvor. „Söder ist seiner Verantwortung als Ministerpräsident nicht nachgekommen. Das hat auch sein Vorgänger bestätigt“, erklärt der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn. „Bei Seehofer war die Stammstrecke noch Chefsache. Söder dagegen war nur Söder wichtig, es ging ihm um seine Kanzlerkandidatur und Wahlkampf. Und das leider bis heute, weil er nahtlos in den Landtagswahlkampf übergegangen ist und keines der wichtigen Themen in Bayern mehr angeht.“
Zahlreiche Vermerke der Behörden belegen, dass das unangenehme Thema im Bundestagswahlkampf ganz bewusst ausgeklammert werden sollte – nur der Chef will angeblich davon nichts gewusst haben. Inge Aures, die die SPD im Untersuchungsausschuss vertritt, erklärt dazu: „Die Beweislage ist erdrückend: Markus Söder hat das Stammstrecken-Desaster zu verantworten. Er kannte die Fakten seit Sommer 2020 und hat absichtlich nichts unternommen. Zwei Jahre sind ins Land gegangen, ohne dass der Freistaat angepackt hat und ohne dass der Öffentlichkeit reiner Wein eingeschenkt wurde. Es ist doch völlig klar, dass die „dilatorische“ Linie der Staatskanzlei – ich würde sagen, sie war dilettantisch – vom Ministerpräsidenten vorgegeben wurde. Politik muss Verantwortung übernehmen – das tut Markus Söder nicht. Er hat Bayern damit massiv geschadet.“
Glaubt man den Aussagen Söders, war der arme bayerische Ministerpräsident völlig hilflos der Willkür der Bahn und der allgemeinen Preissteigerung ausgesetzt. So viel Demut kennt man von Söder sonst gar nicht. Der Freistaat ist zwar Auftraggeber und Finanzverantwortlicher des Projekts – aber laut Söder gilt: Wenn die Bahn keine Zahlen liefern will, will sie halt nicht. Das klingt absurd – zumal die Baubegleitung des Freistaats über Zahlen verfügte.