SPD-Veranstaltung im Landtag: Seenotretter Claus-Peter Reisch berichtet von seiner Arbeit

SPD-Veranstaltung im Landtag: Seenotretter Claus-Peter Reisch berichtet von seiner Arbeit

07. Februar 2020

Bewegend und aufrüttelnd schildert der bekannte Kapitän seine Einsätze im Mittelmeer - Reisch: Menschen wissentlich ertrinken zu lassen, das soll mit unseren europäischen Werten vereinbar sein?

Es herrscht Totenstille. Donnerstagabend im Bayerischen Landtag. Rund 120 Menschen im Konferenzsaal sind entsetzt, schockiert und auch beschämt. Viele Gäste müssen Tränen unterdrücken. Claus-Peter Reisch hat soeben seinen beeindruckenden Videovortrag über seine Seenotrettungsarbeit beendet. Es sind schreckliche Bilder, die auf der Leinwand zu sehen waren. Bilder von völlig überfüllten Schlauchbooten, die kurz vorm Untergang sind. Ein Mann, der sich verzweifelt an das Steuerruder eines großen Schiffes klammert und bitterlich weint, als er ins kleine Rettungsboot gezerrt wird. Eine Mutter mit ihrem Kind, die regungslos auf den Trümmern eines von der lybischen Küstenwache zerstörten Schlauchbootes liegen. Reisch kommentiert die Bilder mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme: „Die Menschen werden auf billigen Schlauchbooten mit zu wenig Benzin losgeschickt. Mitten auf dem Meer geht dann das Benzin aus und die Männer, Frauen und Kinder merken: Das war es jetzt.“

Claus-Peter Reisch
Claus-Peter Reisch
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Reisch ist vom europapolitischen Sprecher der SPD-Fraktion Markus Rinderspacher, der im letzten Sommer selber an Bord eines Rettungsschiffes war, eingeladen worden. Eigentlich sollte Reisch aus seinem neuen Buch "Das Meer der Tränen" vorlesen, in dem er einen Einsatz Anfang Juni 2018 im südlichen Mittelmeer beschreibt. Dazu kommt es aber nicht. Zu aufwühlend sind die Bilder der Flüchtlinge in Todesangst und der menschenunwürdigen Zuständen an Bord.

Markus Rinderspacher
Markus Rinderspacher
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Stattdessen schildert Rinderspacher die Lage an Bord noch mal aus seiner Sicht. Er war im vergangenen September für zwei Tage an Bord der Eleonore von Kapitän Reisch (siehe hier). "Es war eine emotional hochverdichtete Situation, die mich noch wochenlang beschäftigt hat. Als wir schlussendlich in den Hafen von Pozzallo auf Sizilien eingelaufen sind, waren so viele verschieden Gefühle im Spiel, das kann man nicht in Worte fassen.“

SPD-Fraktionschef Horst Arnold dankt Reisch für seine Arbeit und unterstreicht wie wichtig die Seenotrettung ist
SPD-Fraktionschef Horst Arnold dankt Reisch für seine Arbeit und unterstreicht, wie wichtig die Seenotrettung ist
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Kapitän Reisch ist sich sicher: „Man muss die Fluchtursachen bekämpfen. Das sind der Klimawandel, Kriege und Armut durch ungerechte Handelswege, die die heimischen Märkte kaputt machen. Lebensmittel, die billig in Europa produziert und nach Afrika verschifft werden. Stattdessen müssen wir vernünftige Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Ländern schaffen und denen nicht einfach einen Sack Reis vor die Füße schmeißen.“

Am Schluss hat Reisch noch eine Botschaft an die Gäste: "Erzählen Sie ihren Freunden, Arbeitskollegen und Ihrer Familie von diesem Abend. Machen sie klar, dass es hier um das nackte Überleben von Mitmenschen geht. Menschen wissentlich ertrinken zu lassen, das soll mit unseren europäischen Werten vereinbar sein?". Keine Besucherin und kein Besucher wird diese Frage nach diesem Abend wohl guten Gewissens mit „ja“ beantworten können.

Mehr Fotos von der Veranstaltung gibt es hier.

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