von unserer queerpolitischen Sprecherin Doris Rauscher
Mit Ausnahme von Bayern verfügen alle Bundesländer über Landesprogramme für Akzeptanz und Vielfalt. Wir wollen daher ein umfassendes Konzept mit konkreten Maßnahmen zur Förderung von Akzeptanz und Vielfalt in Bezug auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transidente und intergeschlechtliche sowie queere Personen. Damit soll die Gleichstellung für die genannten Personengruppen gefördert werden.
Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sollen im gesellschaftlichen Alltag, im politischen und im Verwaltungshandeln sichtbar gemacht werden. Außerdem soll damit erreicht werden, dass zielgruppengerechte und niedrigschwellige Beratungsangebote sowie AnsprechpartnerInnen und Beschwerdestrukturen landesweit zur Verfügung stehen. In das Landesprogramm sollen wissenschaftliche Expertise, die langjährigen Erfahrungen von einschlägigen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen und Erfahrungen mit vergleichbaren Programmen in anderen Bundesländern einfließen.
Das Landesprogramm soll insbesondere folgende Bereiche und Zielsetzungen umfassen:
Wir wollen, dass sexuelle und geschlechtliche Identität als Anti-Diskriminierungstatbestand in das Grundgesetz und in die Bayerische Verfassung aufgenommen werden. Die frühere Strafbarkeit der „widernatürlichen Unzucht zwischen Personen männlichen Geschlechts“ gemäß §175 wurde erst am 25. Juni 1969 novelliert und am 11. Juni 1994 aufgehoben. Trans- und intergeschlechtliche Menschen werden bis heute pathologisiert, eine freie Entfaltung der Persönlichkeit wird ihnen verwehrt. Dies zeigt, dass über viele Jahre das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Identität gewährleistete. Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Identität muss grundgesetzlich abgesichert werden, damit eine etwaige künftige Abkehr hiervon auch an die besonderen Hürden einer erneuten Verfassungsänderung geknüpft wäre. Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Rechtspopulismus ist der verfassungsmäßige Schutz des bisher Erreichten ein Gebot der Stunde.
Massivste Ausdrucksform von Homo- und Transphobie ist Hassgewalt. Die Taten richten sich nicht auf ein bestimmtes Verhalten der Opfer, sondern auf ihre gesamte Existenz und Identität. Homo- und transphobe Straf- bzw. Gewalttaten bleiben häufig noch immer unerkannt, werden nicht in ihrem tatsächlichen Umfang erhoben und führen zu selten zu rechtlichen Konsequenzen. Wir fordern daher einen Maßnahmenplan zur Erfassung und Analyse homo- und transfeindlicher Hassgewalt. Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Öffentlichkeit sollen für das Problem sensibilisiert, das Thema in der Aus- und Fortbildung von PolizistInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen integriert und speziell geschulte Ansprechpersonen bei Polizei und Staatsanwaltschaft installiert werden.
Wir wollen, dass in einem historischen Fachgutachten die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen und der spätere Umgang mit den Opfern analysiert werden. In diesem Gutachten soll die Rechts- und Lebenssituation homosexueller Männer und Frauen in Bayern zwischen 1945 und den frühen siebziger Jahren aufgearbeitet und dargestellt werden. Von besonderem Interesse sind dabei die Verfolgungs- und Repressionspraxis in ihren Auswirkungen auf individuelle Schicksale sowie der politische und gesellschaftliche Kontext in Bayern und in der jungen Bundesrepublik, der zur Kontinuität der nationalsozialistischen Strafverfolgung durch den § 175 StGB geführt hat. Parallel zur strafrechtlichen Verfolgungsebene sollen insbesondere mit Blick auf lesbische Frauen gesellschaftliche Mechanismen und Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung untersucht werden. Die Ergebnisse dieses Gutachtens bilden die Grundlage dafür, die Erinnerung an die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen in den Schulen und der politischen Bildungsarbeit, aber auch in der Polizeiausbildung und der Justizfortbildung wachzuhalten sowie in den genannten Bereichen eine besondere Sensibilisierung gegenüber jeglichen homophoben Tendenzen zu fördern.
Wir wollen, dass sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in allen Schulstufen und allen Schulformen stärker sichtbar gemacht wird. LSBTIQ-Themen sollen in allen Phasen der LehrerIinnenausbildung gestärkt werden. Schulen sollen angeregt werden, in ihren partizipativ entwickelten Schulkonzepten die LSBTIQ-Themen angemessen zu berücksichtigen. Schulbuchverlage sollen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt gleichwertig und vorurteilsfrei darstellen; die Zulassung von Lehr- und Lernmaterialien soll an die Berücksichtigung von Diversitätsaspekten geknüpft werden. Es sollen unabhängige Beschwerdemöglichkeiten für SchülerInnen eingerichtet werden. In einem Beratungs- und Handlungsleitfaden sollen Hinweise und Richtlinien für den Umgang mit transidenten und intergeschlechtlichen SchülerInnen zur Verfügung gestellt werden. Geschlechterdifferenzierte Angebote im Sportunterricht sollen zugunsten von Mixed-Sport-Angeboten reduziert werden um einen sensiblen Umgang mit als geschlechtsuntypisch wahrgenommenem Verhalten im Sportunterricht sicherzustellen. Die „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen“ des bayerischen Kultusministeriums wollen wir im Hinblick auf eine verstärkte Berücksichtigung nicht-traditioneller Rollen- und Familienbilder überarbeiten. Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität sind als gleichwertige Formen menschlicher Sexualität und Geschlechtsidentät im Schulunterricht darzustellen.
Wir wollen die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Familienformen beenden. Gleichgeschlechtliche Elternpaare sollen einfacher als bisher das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder erhalten können. Die assistierte Reproduktion soll allen Menschen unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung bzw. geschlechtlicher Identität offenstehen. In SGB VIII Jugendhilfegesetz soll in § 44 klar gestellt wird, dass als Pflegepersonen und Pflegefamilien Erwachsene unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung bzw. Identität in Betracht kommen.
Wir wollen, dass die Situation von LSBTIQ-Jugendlichen im Bericht der Bayerischen Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern berücksichtigt wird. Der Umgang mit und die Thematisierung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt soll in den bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung aufgenommen werden. In den Planungsprozessen der Kinder- und Jugendhilfe werden die spezifischen Bedarfslagen und Bedürfnisse von LSBTIQ*-Jugendlichen berücksichtigt. Für die Träger der öffentlichen und der freigemeinnützigen Jugendhilfe und für die Jugendorganisationen der Kirchen werden Fortbildungsangebote zur Lebenssituation von LSBTIQ-Jugendlichen entwickelt.
Wir wollen, dass sich die Bayerische Staatsregierung bei ihren eigenständigen Kontakten mit ausländischen Regierungen für eine Verbesserung der Menschenrechtssituation für LSBTIQ-Personen einsetzt. Wir fordern ein LGBTIQ-Inklusionskonzept für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem wollen wir konkrete Maßnahmen, damit die spezifischen Problemlagen von geflüchteten LSBTIQ*-Personen besser berücksichtigt werden können. Dazu zählen ins-besondere:
Gewährleistung der Anerkennung des Asylgrundes Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der sexuellen Identität auch bei Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten
Aufnahme von Regelungen zur Erarbeitung und Umsetzung von einrichtungsspezifischen Gewaltschutzkonzepten unter Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit von LSBTIQ*-Personen in die Bayerische Asyldurchführungsverordnung
Erstellung von mehrsprachigem Informationsmaterial zum Thema Gewalt gegen LSBTIQ*-Geflüchtete zur Auslage in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschafts- und Einzelunterkünften, Migrationsberatungsstellen, Jugendmigrationsdiensten, Ausländerbehörden sowie den Sozial- und Jugendämtern
frühzeitige Aufklärung in Erstaufnahmeeinrichtungen sowie kommunalen Gemeinschaftsunterkünften lebender LSBTIQ-Geflüchteter über ihre Rechte in Deutschland mit Flyern und Plakaten; Sensibilisierung von Betreuungspersonen (SozialarbeiterIinnen, Sicherheitsdienste, etc.) in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zum Thema LSBTIQ-Geflüchtete.
Wir wollen, dass die Änderung des Vornamens und/oder des Personenstands im einfachen Antragsverfahren beim zuständigen Standesamt möglich ist. Medizinische Leistungen/Möglichkeiten zur Geschlechtsangleichung sollen in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden. Betroffene sollen bereits in der Übergangszeit / Transition ein Anrecht auf passende persönliche Dokumente erhalten. Betroffene sollen nach der Vornamens- und Personenstandsänderung ein Anrecht auf Zeugnisse, Bescheinigungen und Nachweise ohne besondere Zusätze haben. Delikte mit dem Thema „geschlechtliche Selbstbeschreibung“ sollen von der Polizei in Bayern gesondert erfasst und ausgewiesen werden – analog der Praxis der Polizei in Berlin. Vereinigungen mit ausschließlicher bzw. überwiegender Fokussierung auf Fragestellungen und Problemstellungen der Transsexualität wollen wir gezielt fördern.
Zur professionellen Unterstützung und Beratung von LSBTIQ-Personen und ihren Angehörigen wollen wir flächendeckend niedrigschwellige spezialisierte Anlauf- und Beratungsstellen. Die Finanzierung muss der Freistaat übernehmen. Allgemeine Beratungsstellen sollen entsprechend fortgebildet und für die Zielgruppe von LSBTIQ*-Personen und ihren Angehörigen und die verschiedenen Lebenslagen sensibilisiert werden. Qualifizierte Selbsthilfeangebote für LSBTIQ-Personen und ihre Angehörigen sollen professionelle Beratungsangebote ergänzen.
Antrag: Regenbogenflagge auch auf Einrichtungen des Freistaats ermöglichen!
Antrag: Polen - LGBTIQ*-Diskriminierung beenden
Antrag: Ungarn - LGBTIQ*-Diskriminierung beenden!
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern VI – Trans-Gesundheit
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern V – LGBTIQ* in Schulen
Verbesserung der Situation von LGBTIQ* in Bayern III – Stationäre Altenpflege
Queere Migrantinnen und Migranten schützen und unterstützen! (PDF, 257 kB)
Expertinnen- und Expertenanhörung zur Akzeptanz von LGBTIQ*-Personen in Bayern (PDF, 211 kB)
Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Doris Rauscher (SPD) "Konversionstherapien“ (PDF, 51 kB)
Für ein buntes Bayern jetzt – Endlich Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt vorlegen!
Für ein buntes Bayern jetzt 1 – Haushaltsmittel für ein Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt
Für ein buntes Bayern jetzt 2 – Fluchtursache homophobe Gewalt bekämpfen! (PDF, 94 kB)